Der Dekretentwurf des Vize-Ministerpräsidenten Antoniadis zum Wohnungswesen befasst sich mit der kompletten Neugestaltung des öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbaus. Dazu fand am 18. März im PDG eine öffentliche Anhörung aller Akteur*innen statt.
Im Laufe dieser Anhörung wurde deutlich, dass die Stellungnahmen aller Akteur*innen (ÖWOB, Gemeinden, ÖSHZ, Soziale Immobilienagenturen) in ihrem Grundton eindeutig waren: Dieses Dekret wirft mehr Fragen auf, als es Lösungen bietet. Die Punkte, die als unannehmbar, undeutlich oder verbesserungswürdig erscheinen, sind zahlreich.
In den Augen von Ecolo ist in Folge der Anhörung eine komplette Um- und Neugestaltung des Dekrets unter Einbeziehung aller angehörten Akteur*innen unumgänglich. Dies ist in der verbleibenden Zeit vor den Wahlen in unseren Augen nicht mehr gewissenhaft machbar. Wir fordern daher die Regierung auf, den Dekretentwurf zurückzuziehen.
Wir möchten, um das darzulegen, gerne zwei der zahlreichen Kritikpunkte am Entwurf der Regierung hervorheben:
1) Der ÖWOB kann mit diesem Dekretentwurf seiner eigentlichen sozialen Grundaufgabe nicht mehr gerecht werden. Der Entwurf drückt insgesamt die soziale Schere in Ostbelgien weiter auseinander. Die Menschen, die sich in äußerst prekären Lebenslagen befinden, riskieren, noch stärker außen vor zu bleiben. So sollen 20% der jetzigen, sprich bestehenden, Sozialwohnungen für Menschen mit mittlerem bis mittelhohem Einkommen reserviert werden. Mit mittleren bis mittelhohem Einkommen sind bis zu 75.000 € brutto Jahresgehalt (bzw. 70.000 € steuerbares Einkommen) gemeint. Und das im bestehenden Immobilienpark, wo das Angebot ohnehin schon viel niedriger ist als die Nachfrage.
Ständig sind derzeit rund 500 Antragsteller*innen auf der Warteliste, die zu über 90 % nur prekäre oder niedrige Einkommen haben. In einer solchen Situation muss die Priorität eine soziale sein: Menschen, die ohne Hilfe keinen Wohnraum finden, zu helfen. Dieses Dekret würde noch mehr Menschen in prekären Situationen in den privaten Wohnungsmarkt drücken.
2) Die bisherige Vergabe von Sozialwohnungen über ein Punktesystem ist reformbedürftig, aber es hatte einen Vorteil: Alle konnten nachvollziehen, weshalb man eine Wohnung zugesprochen bekam, oder eben auch nicht. Mit dem von der Regierung vorgeschlagenen Kontingente-System (20 % für mittlere Einkommen, 40 % für Menschen mit « lokaler Bindung », …) geht diese Transparenz total verloren. Dies darf gerade bei der Vergabe von Sozialwohnungen nicht der Fall sein. Das Kontingente-System zur Zuteilung der Wohnobjekte ist der Kern des Dekrets und ausgerechnet dieser Punkt ist derart unausgegoren, dass es den Dekretentwurf nicht mit gutem Gewissen annehmbar macht.
Fazit: Eine Reform des öffentlich geförderten Sozialen Wohnungsbaus ist notwendig. Doch dieser Dekretentwurf muss grundsätzlich neu gedacht werden – diesmal mit den Akteur*innen.
Auch wir hätten uns gefreut, wenn ein guter, ausgereifter Dekretentwurf vorgelegen hätte.
Angesichts der noch verbleibenden Zeit bis zum Ende der Legislatur halten wir es für sinnvoller und verantwortungsvoller, eine gut durchdachte Reform mit den Akteur*innen weiter vorzubereiten. Anschließend kann die bereits erfolgte Arbeit im Juni einem neuen Parlament und einer neuen Regierung übertragen werden, mit dem Ziel, zeitnah eine durchdachte Reform des sozialen Wohnungsbaus auf den Weg zu bringen.
Für die ECOLO-Fraktion im PDG
Freddy Mockel, Fraktionsvorsitzender
Für ECOLO Ostbelgien
Fabienne Colling, Spitzenkandidatin für das PDG