Der Elefant gebar eine Maus – langes Warten auf wenig Inhalt

Ecolo Eupen : Reaktion auf das Richtlinienprogramm der CSP-OBL-PPF Mehrheit

Die Gemeindewahlen liegen nun schon über fünf Monate zurück. Doch bereits auf der Wahlparty der CSP im Clubheim des FC Eupen wurde – im Beisein des Ministerpräsidenten und einiger DG-Minister – die neue Koalition verkündet und mit inhaltlichen Überschneidungen begründet.
Im November folgte ein Pressetermin, bei dem vor allem über die Zuständigkeitsverteilung informiert wurde – inklusive der Schaffung eines zusätzlichen Schöffenpostens. Wer gehofft hatte, hier schon etwas über inhaltliche Schwerpunkte der neuen Koalition zu erfahren, wurde erstmal auf den Stadtrat im März vertröstet. Aber den angekündigten Termin im März ließ die neue Mehrheit zur allgemeinen Verwunderung ungenutzt verstreichen. Wer eine neue politische Dynamik erwartet hatte, musste bislang ziemlich geduldig sein.
Bis heute hat die Mehrheit Aussagen zu Inhalten weitestgehend vermieden. Und so verstärkt sich bei vielen Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck, dass gerade nicht politische Inhalte, sondern vielmehr politische Vorlieben der Klötzerbahn den Ausschlag für die Regierungsbildung im Eupener Rathaus gegeben haben.
Die implizite Aufforderung, sich stets persönlich an Bürgermeister und Schöffen zu wenden, aber auch das gönnerhafte Verteilen von Zuschüssen und nicht zuletzt die Schaffung eines zusätzlichen Schöffenpostens lassen manche befürchten, das eine CSP geführte Mehrheit in alte Muster von Klientelpolitik verfällt.
Besonders enttäuschend: Nach über 100 Tagen im Amt sind Schöffensprechstunden, Abschalten der Kommentarfunktion und die Einführung von Kontaktformularen die einzige erkennbare Innovation.
Jetzt wird endlich das Richtlinienprogramm vorgelegt – ein Dokument, auf das wir mit Spannung gewartet haben. Nicht nur wegen der ungewöhnlich langen Wartezeit, sondern auch, weil der jetzige Bürgermeister das Richtlinienprogramm der Vorgängermehrheit seinerzeit als „absolut untauglich“ und – trommelwirbel – nicht grün genug kritisiert hatte.
In der Presse wurde er im März 2019 mit folgenden Worten zitiert:
“Es ist nicht das, was man in einem langfristigen und innovativen Zukunftsprojekt für seine Heimatstadt lesen möchte.” Dafür fehle dann doch „das gewisse Etwas, der Wow-Effekt, der Mut, wirklich neue Wege zu gehen“, so der heutige Bürgermeister vor mehr als sechs Jahren.

Deshalb haben wir uns im neuen Richtlinienprogramm auf die Suche nach Innovation, mutigen neuen Projekten und dem Wow-Effekt begeben…

Die Tatsache, dass der ECOLO-Wahlslogan “Zukunft gestalten” ganz ideologiefrei als Titel übernommen wurde, steigerte die Vorfreude noch einmal zusätzlich.

Das Ergebnis war dann aber doch – freundlich ausgedrückt – enttäuschend.

Wie so oft im Leben, scheint auch diesmal die Verpackung aufwendiger gestaltet als der Inhalt. Denn analysiert man das wortgewaltige Dokument auf inhaltliche Aussagen, bleiben im Grunde drei Kategorien übrig:
1. Die Aufzählung von Projekten, die es schon gibt.
2. Maßnahmen, die zwar umschrieben werden, aber unkonkreter kaum sein können.
3. Projekte für Bereiche in denen die Stadt Eupen gar nicht zuständig ist.

________________________________________

Beginnen wir mit der ersten Kategorie:

Alte Projekte mit neuem Etikett

Ja, es finden sich in diesem Dokument durchaus einige konkrete Ankündigungen. In der Regel handelt es sich dabei aber um Projekte, welche bereits durch unsere Arbeit in Planung oder Umsetzung waren. Die CSP-OBL UND PFF Parteien übernehmen diese nicht nur und seit Wochen auch ihrer Öffentlichkeitsarbeit, sondern nun auch in ihrem Richlininienprogramm und verkaufen sie als eigene Innovationen. Ein paar Beispiele:

• Der Ausbau der Aachener Straße, der Lascheterweg-Rotenberg-Korridor oder die Verbindung Werthplatz-Nispert – alles Planungen der vergangenen Legislatur.
• Die Eröffnung des neuen Wetzlarbads 2025 und der Neubau des Stadions – längst auf den Weg gebracht.
• Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen stehen erfreulicherweise nicht mehr unter Ideologie-Verdacht und werden weiter verfolgt.
• Auch mobile Kameras gegen Müllsünder, die Anwerbung und Rekrutierung von Personal für Feuerwehr und Polizei oder die Digitalisierung der Verwaltung – z.B. durch Gebäudemanagementsoftware – sind schon lange beschlossene Sache.

All diese Projekte sind löblich und sinnvoll, fußen aber auf der Arbeit der Vorgänger. Auf der Suche nach neuen konkreten Projekten, die nicht auf die alte Mehrheit zurückgehen, bleibt unter dem Strich nicht viel mehr als die Jahre alte Idee der Anschaffung von Solar-Parkbänken.

Kommen wir also zur zweiten Kategorie von Aussagen, die sich unter der Überschrift “unkonkret, unverbindlich und unentschlossen” zusammenfassen lassen.
Im Richtlinienpogramm finden wir eine Fülle von Passe-Partout-Aussagen die unkonkreter nicht formuliert sein könnten:

Statt klarer Aussagen liest man vor allem: könnte, sollte, müsste. Die neue Mehrheit vermeidet konsequent alles, was nach Entscheidung, Richtung oder Priorität aussieht. Das Wort „gezielt“ taucht in diesem Text zwar ganze 28 mal auf, doch wer auf gezielte Maßnahmen gehofft hatte, wird enttäuscht.
Wie soll sich die Unterstadt zu einem touristischen Dreh- und Angelpunkt entwickeln? Mit gezielten Maßnahmen.
Wie soll Eupens Stadtzentrum noch einladender gestaltet werden? Durch kreative Ansätze und … gezielte Verschönerungsmaßnahmen.
Besonders auffällig: Überall wird von möglichen Ausgaben gesprochen – aber nicht davon, wie diese finanziert werden sollen. Das passt ins Bild.

Markige Forderungen und vermeintlich einfache Lösungen aus dem Wahlkampf wurden so bis zur Unkenntlichkeit verwässert oder sind ganz verschwunden.
Ein aussagekräftiges Beispiel ist hier das Thema Hallentarife: Während dem Wahlkampf profilierte man sich noch mit dem Versprechen einer “Kostenlose Nutzung städtischer Infrastrukturen für Kinder­ und Jugendmannschaften.” Natürlich ohne Angaben zur Finanzierung des Vorhabens zu machen.
Wie viele andere Wahlversprechen fällt auch diese Aussage im vorliegenden Text unter den Tisch. Stattdessen liest man den schwammigen Satz: “Eine finanzielle Entlastung für die Vereine könnte eine wichtige Rolle spielen, um das Ehrenamt zu stärken.”„Eine finanzielle Entlastung der Vereine könnte das Ehrenamt stärken.”
Genauso gut hätte man schreiben können: “Wenn es regnet, könnte es sein, dass Wasser vom Himmel fällt.“
Ein Richtlinienprogramm soll der Stadt eine Richtung geben, politische Orientierung schaffen und den Bürgerinnen und Bürgern Klarheit vermitteln. Dieses Programm hingegen bleibt vage, ausweichend und beliebig. Es scheint mehr darum zu gehen, möglichst niemanden zu verärgern, als mutige Zukunftspolitik zu gestalten.
Begrüßenswert: Die Wahlkampf-Idee eines Ordnungsamts, welches unter anderem bei den Autoscootern auf der Unterstädter Kirmes für Sicherheit sorgen sollte, wurde glücklicherweise umgehend, still und heimlich und ganz ohne Worthülse begraben.

________________________________________

Als Füllmasse dienen in diesem Richtlinienprogramm dann noch Ankündigungen aus der dritten Kategorie:

Projekte ohne Zuständigkeit

Zahlreiche Themenfelder, die im Programm angeschnitten werden, liegen gar nicht im Zuständigkeitsbereich der Stadt Eupen. Die neue Mehrheit will nicht nur die Zahl der Hotelbetten ausbauen, in ihrem Richtlinienprogramm beschäftigt sie sich auch ausgiebig mit der inhaltlichen Ausrichtung der Schulpolitik. Diese wird aber via Rahmenpläne von der DG vorgegeben… Natürlich kann die Stadt in vielen Dingen Partnerin sein. In einem Richtlinienprogramm übergeordnete Zuständigkeiten als eigene Ambitionen auszugeben, ist aber entweder bewusste Irreführung oder zeugt schlicht von mangelndem Überblick?
Ähnlich verhält es sich mit den zahlreichen Aussagen zum Präventions- und Beratungsangebot für Jugendliche (mentale Gesundheit und Drogenproblematik). Auch diese Themenfelder sind eigentlich DG Materie. Die Stadt kann hier lediglich Akzente setzen, zum Beispiel durch ihre Vertretung in den Räten der ASL und des BTZ. Die neue Mehrheit hat jedoch entschieden, trotz eines zusätzlichen Schöffenpostens keine Vertretung mehr in die Räte der ASL und des BTZ schicken. Angesichts der heeren Ziele, die in dem Richtlinienenprogramm formuliert werden, fehlt uns auch für diese Entscheidung das Verständnis.

________________________________________

Zusammenfassend kann man sagen: das Richtlinienprogramm weckt viel Hoffnung, bietet aber wenig Konkretes.

Einige Themen werden nur vage angedeutet:

• Wie steht es zum Beispiel um die viel bemühte Bürgerbeteiligung? Angekündigt werden „Bürgerbefragungen und andere Formen“. Wer sich jetzt fragt, zu welchen Themen oder mit welchem Ziel, liest dazu die Formulierung: “Dort, wo es Sinn macht.” Völlig unerwähnt bleibt auch: In Eupen gibt es bereits zahlreiche unterschiedliche Formen der Bürgerbeteiligung. Viele Bürger engagieren sich zum Beispiel seit Jahren in Viertelinitiativen oder der ÖKLE. Wenn man es mit der Bürgerbeteiligung ernst meint, sollte man diese Initiativen fördern und wertschätzen. Im Richtlinienprogramm werden sie noch nicht mal erwähnt.
• Klare Aussagen zur Mobilität? Fehlanzeige. Die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer wird zwar als “zentrales Anliegen” präsentiert, wie diese erreicht werden soll, bleibt aber ziemlich schleierhaft. Wir haben jedenfalls keine Aussagen zu echter Verkehrsberuhigung, Geschwindigkeitsbegrenzungen in Wohnvierteln, autofreien Zonen oder neuen Initiativen für Rad- oder Gehwegen gefunden. Die versprochene Schaffung zusätzlicher Parkplätze in der Unterstadt wird ersetzt durch „die Erarbeitung eines Konzeptes zur Optimierung des Parkraums“. Und wie möchte man den Verkehrsfluss in Stoßzeiten optimieren und Staus und Verzögerungen reduzieren? Sie ahnen es: Mit gezielten Maßnahmen.
• Das Thema sozialer Wohnungsbau? Wird gestreift, aber ohne nennenswerte Ambitionen – die Realität leerstehender Gebäude wie an der Malmedyer Straße wird ausgeblendet und auch das fertig geplante und genehmigte Projekt in der Hillstraße scheint in weite Ferne gerückt. Und wo wir schon beim Thema Soziales und der Wertschätzung sind: Im Richtlinienprogramm der neuen Mehrheit wird das ÖSHZ genau einmal erwähnt. Und zwar unter dem Themenfeld Finanzen – als Kostenfaktor. Der Text enthält keinerlei Vision eines ÖSHZ als strategischer Partner in der Bekämpfung von Armut und Benachteiligung, als Initiator von beruflicher und sozialer Integration, als Akteur für den sozialen Zusammenhalt. Eine Mehrheit, die vergisst, unter dem Schwerpunkt der Sozialpolitik das ÖSHZ zu erwähnen, stellt sich selber ein Armutszeugnis aus.

________________________________________

Unser Fazit

Wir begrüßen, dass manche Projekte nun – ohne ideologische Vorbehalte – weitergeführt werden. Das zeigt: Unsere inhaltliche Richtung war richtig. Gleichzeitig vermissen wir bei der CSP-OBL-PFF Mehrheit, Klarheit und den Willen zur klaren Aussage. Eben eine Richtung für ein Richtlinienprogramm, welches auch der Verwaltung für ihre Arbeit als Kompass dient. Vielmehr entsteht der Eindruck, es solle für jede und jeden ein wenig Hoffnung gestreut werden, ohne sich auf etwas festzulegen. Eine Strategie des freundlichen Nebels – aber kein politischer Kompass für sechs Jahre Regierungsarbeit.
Politik bedeutet nicht, jedem Bürger oder jeder Bürgerin individuell eine Lösung zu versprechen. Politik bedeutet, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen – auch mit unbequemen Entscheidungen.
Ein Richtlinienprogramm ist kein Schaufenster für schöne Worte. Es muss ein Plan sein, der Ziele benennt, Wege beschreibt und Verantwortung übernimmt.
Dieses Dokument tut nichts von alledem. Es ist eine hübsche Verpackung mit wenig Inhalt – lässt viele wichtige Fragen aber unbeantwortet und ist als politischer Kompass für Eupen absolut unzureichend. Die Erwartungen waren hoch – das Ergebnis ist mager.

Der Elefant gebar eine Maus.

>> Hier die vollständige Stellungnahme als PDF zum Download: STADTRAT Richtlinienprogramm RM ECOLO.