Ansprache von Lambert Jaegers, Präsident
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Namen des Sozialhilferates begrüße ich Sie ganz herzlich zum Neujahrsempfang 2019 des öffentlichen Sozialhilfezentrums Eupen und freue mich, dass Sie uns heute Abend die Ehre erweisen.
Sowohl Frau Bürgermeisterin Claudia Niessen als auch Herr Minister Antonios Antoniadis und Frau Ministerin Isabelle Weykmans hatten heute noch eine andere Verpflichtung und bitten darum, sie zu entschuldigen.
Liebe Anwesende,
für das Zentrum Mosaik und für das ÖSHZ als stolzer Träger des Zentrums hat das Jahr 2019 besondere Bedeutung. Vor 50 Jahren wurden nämlich die Kinderhäuser erbaut. Damals unter der ÖSHZ-Präsidentschaft von Karl Willems und unter dem Sekretär Karl Gouder. Dieses Jubiläum wird im Verlaufe dieses Jahres entsprechend gewürdigt, mit einer Fachtagung, mit einem Familienfest und im Rahmen einer akademischen Sitzung. Auch wird in diesem Rahmen die Outdoor-Sportanlage eingeweiht, die dank einer Spende der KMILE entsteht.
50 Jahre Kinderhäuser: auch ein Anlass zu überprüfen, inwiefern diese infrastrukturellen Rahmenbedingungen den heutigen Ansprüchen und Erfordernissen im Bereich der Jugendhilfe genügen. Da sind entsprechende Überlegungen angestoßen worden.
Stolzer Träger ist das ÖSHZ Eupen auch vom Alten- und Pflegewohnheim Sankt Joseph bzw. vom Wohn- und Pflegezentrum für Senioren St. Joseph – wie die Häuser jetzt in der DG genannt werden.
Im Laufe dieses Jahres werden die Neubauarbeiten beendet, die in den letzten Jahren ganz besonders das Geschehen hier im Haus geprägt haben. Die Baustelle ist dann nicht beendet – sie wird jedoch nach Abschluss der Neubauphasen und der Umgestaltung des Eingangsbereichs, ab September 2019 zunächst mal ruhen. In der Tat sind auf Renoir und Novalis umfangreichere Umbauarbeiten notwendig, als dies bisher geplant war. Mit der Gemeinschaft konnte noch keine Einigung über die Finanzierung der Zusatzkosten erzielt werden und solange da keine Zusage besteht und die entsprechenden Mittel nicht im Haushalt der Gemeinschaft vorgesehen sind, verzögern sich sowohl diese Renovierungsarbeiten auf Renoir und Novalis als auch die Einrichtung von neuen betreuten Wohnungen.
Arbeiten bringen eine ganze Reihe an Unannehmlichkeiten mit sich. Sie alle haben es heute selber erfahren. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um denen zu danken, die ganz besonders betroffen sind. Den Bewohnern, Angehörigen und Besuchern, dem Personal und der Leitung. Mich beeindruckt, mit welcher Gelassenheit und Souveränität (jedenfalls nach außen hin) sie mit diesen Beeinträchtigungen und Belästigungen bisher umgegangen sind.
Neuland begehen wir seit dem 1. Januar 2019, denn die Gemeinschaft ist seit diesem Jahr für die Finanzierung der Wohn- und Pflegezentren zuständig. Hier bleibt noch einiges zu klären und wir hoffen sehr, dass hier ein System entstehen kann, das nicht nur für den Geldgeber sondern auch für die Wohn- und Pflegezentren machbar und tragbar ist.
Nach diesem Blick auf die beiden Einrichtungen, deren Träger das Eupener ÖSHZ ist, bleibt mir das zu beleuchten, was man allgemein als ÖSHZ-Arbeit versteht. Das ist natürlich ein breites Feld, mit Schuldnerberatung, häuslicher Hilfe, dem Dienst für Wohnungs- und Energiefragen, der sozial-beruflichen Eingliederung und der allgemeinen Sozialhilfe. Ein breites Feld an Angeboten, das im Rahmen eines starken Zuwachses unserer Klientel auf- und ausgebaut worden ist.
In der Tat ist die Anzahl Personen, die entweder Eingliederungseinkommen erhalten oder über einen 60§7-Arbeitsvertrag eingestellt sind in den letzten 10 Jahren um 50% gestiegen. Das ist enorm und nicht so einfach zu verkraften. Aber wem sage ich das?
Der Mehraufwand ging zunächst zu Lasten des Personals und zu Lasten der Qualität der angebotenen Dienstleistungen. Wir konnten nur immer zeitverzögert und in einem begrenzten Rahmen auf diese Entwicklungen reagieren. Die Situation scheint sich zu stabilisieren und es kommt jetzt darauf an, die Struktur des ÖSHZ und seine Verwaltungs-, Arbeits- und Entscheidungsabläufe diesen neuen Gegebenheiten anzupassen.
Also vor 10 Jahren hatten wir 330 Dossiers pro Monat zu bearbeiten, jetzt sind es um die 500. Das bedeutet eben auch, dass das ÖSHZ sich einfach anders aufstellen muss, sich anders organisieren muss als noch vor wenigen Jahren.
Das – meine sehr verehrten Damen und Herren – wird eine Aufgabe des neuen Sozialhilferates sein, der in genau sechs Wochen, am 1. März eingesetzt und seine Arbeit aufnehmen wird.
Eine weitere Herausforderung, der sich der neue Sozialhilferat stellen muss, ist die sozial-berufliche Eingliederung junger Menschen. 45% unserer Klientel ist jünger als 30. Diese Gruppe junger Menschen ist keine homogene Gruppe. Sie muss sehr differenziert betrachtet werden.
Mir machen insbesondere die jungen Leute mit Migrationshintergrund Sorge, die ohne familiäres Umfeld hier in Eupen angekommen sind und hier Fuß fassen sollen. Diese jungen Leute – und dazu gehören auch unbegleitete minderjährige Ausländer – befinden sich in einer Lebensphase, wo sie sich selbst noch suchen. Und sie müssen sich in einer völlig fremden Umgebung, in einer fremden Kultur und in einer fremden Sprache zurechtfinden. In einer solchen Situation benötigt man Menschen, denen man Vertrauen schenken kann, Menschen die begleiten und die helfen, Halt zu finden. Menschen, die auch Grenzen setzen können. Eine organisierte Umrahmung dieser jungen Leute fehlt zurzeit größtenteils und es ist zu befürchten, dass sich hier eine Situation entwickelt, die extrem hohen sozialpolitischen Zündstoff in sich bergen kann falls wir subkulturellen Milieus und Cliquen, die das Verhalten von jungen Menschen stark prägen, nichts entgegen setzen können.
Der neue Sozialhilferat wird sich auch damit befassen müssen, dass in unserer Klientel die Anzahl Personen mit psychischen Belastungen zunimmt. Es geht hier insbesondere um die Frage des adäquaten Umgangs mit verhaltensauffälligen Menschen und dann natürlich auch um die Frage, welche Perspektiven die Gesellschaft diesen Menschen kurz- und mittelfristig bieten kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, mich hat ein Buch nachhaltig geprägt, das unter der Leitung des französischen Soziologen Pierre Bourdieu Anfang der 90er Jahre geschrieben wurde: La misère du monde/Das Elend der Welt. Es schildert die Ergebnisse einer groß angelegten Studie, die damals in den Vororten der französischen Großstädte gemacht wurde. Das Buch analysiert die Lebenssituation von Personen, die von Armut betroffen sind, von Personen, die es schwer haben, ihren Platz in unserer Gesellschaft zu finden und lässt diese Personen zu Wort kommen.
Eine Erkenntnis der Lektüre dieses Buches war und ist für mich, dass wir zunächst versuchen müssen zu verstehen. Zu verstehen, warum Menschen da sind, wo sie sind, was sie dort, wo sie sind, erleben und was das mit ihnen macht. Das müssen wir zunächst verstehen, damit wir die Menschen dort abholen können, wo sie sind.
Dass wir Menschen fordern, steht außer Frage. Wichtig dabei ist jedoch, die Messlatte nur so hoch zu legen, dass das Ziel auch erreicht werden kann, damit diese Menschen dank der Erfolgserlebnisse ihre Perspektiven erweitern und somit wachsen können. Das alles braucht Zeit, Geld und Geduld.
Menschen groß machen, das muss unser Ziel sein. Ob es jetzt die Kinder und Jugendlichen bzw. ihre Erziehungsberechtigten sind, um die sich das Zentrum-Mosaik bemüht, ob es die Bewohner im Wohn- und Pflegezentrum sind oder die Personen, die bei uns anklopfen um eine finanzielle oder soziale Unterstützung zu erhalten. Für die Arbeit mit allen ist wichtig, dass sie ernst genommen werden und sich auch ernst genommen fühlen, dass sie Vertrauen in sich und in ihre Fähigkeiten erhalten bzw. auf- und ausbauen, ihr Selbstwertgefühl steigern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde, dieser Neujahrsempfang ist für mich ein besonderer, denn es ist der letzte, den ich in meiner Funktion als ÖSHZ-Präsident erlebe. Ich freue mich zwar auf meinen neuen Lebensabschnitt. Aber ich muss auch Abschied nehmen von der Funktion und von euch.
Euch allen, sowohl den Personalmitgliedern, den Mitgliedern des Sozialhilferates und natürlich den Ehrenamtlichen ein herzliches Dankeschön. Ein Dankeschön und auch meine Anerkennung für euren Einsatz und eure Kompetenz, für eure Empathie, euer Verständnis, euer Wohlwollen und eure Offenheit. Ihr alle tragt dazu bei, dass das ÖSHZ zu dem geworden ist, was es heute ist.
Liebe Anwesende, ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie alles Gute im neuen Jahr. Meiner Nachfolgerin und dem neuen Sozialhilferat wünsche ich die notwendige Weitsicht, Rücksicht und Nachsicht um das ÖSHZ souverän leiten zu können. Und uns alle möchte ich ermuntern weiterhin Brücken zu bauen statt Mauern hoch zu ziehen, das Miteinander zu pflegen statt das Neben- und Gegeneinander.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.