Unter dem Motto “Wertvolle Flächen intelligenter nutzen” hat Ecolo Ostbelgien interessierte BürgerInnen ins Kino Corso nach Sankt Vith eingeladen. Mehr als 60 Teilnehmer bekamen die Gelegenheit, die neue DG-Kompetenz Raumordnung anhand von greifbaren Beispielen zu verstehen und festzustellen, dass es großen Handlungsbedarf in der Art und Weise gibt, wie wir mit der Ressource Boden in Ostbelgien umgehen.
Den Einstieg machte der PDG-Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Freddy Mockel mit einer Übersicht des Flächenverbrauchs in Ostbelgien. So konnte man anhand der Grafiken gut erkennen, wie das Wachstum von Wohnfläche und Industrie- und Gewerbezonen zum Nachteil der Agrar- und Grünflächen in den letzten 20 Jahren angestiegen ist. Ebenso stieg in fast allen Gemeinden der DG die durchschnittliche Anzahl Quadratmeter pro Einwohner im Wohnbereich, oft mit einem sogenannten Zersiedlungseffekt. Dabei werden Dorfstrukturen verzerrt und der Zugang zu Dienstleistungen zusätzlich erschwert.
Dass Flächenplanung auch anders geht, wurde mit dem Vortrag von Dr. Jeannot Schröder des luxemburgischen Beratungsbüros +Impakt deutlich. Anhand greifbarer Beispiele und auf eine humorvolle Art machte der auf Kreislaufwirtschaft spezialisierte Ingenieur deutlich, dass der gesamte Planungsprozess von Gewerbe- und Industriegebieten überdacht werden muss. So wurde für Gewerbegebiete in Luxemburg errechnet, dass nur etwa 35% der Fläche tatsächlich für den produktiven Teil der Gewerbe genutzt wird, während 40% versiegelte Flächen darstellen (Anfahrtswege, Parkplätze, Lagerstätten) und 25% Prozent vorgeschriebene Grünflächen ohne besonderen ökologischen Wert ausmachen. Anhand konkreter Beispiele, die gerade im benachbarten Luxemburg, wo verfügbare Flächen zur Mangelware werden, umgesetzt werden, machte Herr Schröder deutlich, wie groß der Einfluss von Politik und Verwaltung sein kann. Er plädierte für einen integrierten Ansatz, wo möglichst früh mit einer Vielzahl von Interessenvertretern zusammengearbeitet wird. Diese könnten dann viel effizienter und gemeinsam eine Reihe von Infrastrukturen und Dienstleistungen (Parkplätze, Energieproduktion, Grünflächen, Wasserauffangbecken, Fuhrpark und Maschinen) gemeinsam ins Auge fassen.
Dr. Hilde Schröteler-von Brandt ging ihrerseits auf neue Ansätze in der Siedlungsentwicklung ein. Die Professorin an der Uni Siegen hat bereits in den frühen 2000ern den Begriff “Donut” geprägt um das Phänomen zu beschreiben, dass historische und identitätsstiftende Dorfzentren im Zuge des demographischen Wandels vom Wegzug und Leerstand bedroht sind und sich die Bevölkerung zunehmend in weitläufigen Randgebieten niederlässt. Um diesen Trend umzukehren, bedarf es sogenannter Innenentwicklung und Nachverdichtung. Auch hier wurden verschiedene Projekte und Initiativen vorgestellt, wo beispielsweise junge Familien ermutigt werden, Bestandswohnungen zu erwerben und zu sanieren, aber auch Umnutzung für mehrere Generationen oder neue Wohnformen wurden erwähnt. Leerstand erzeugt meist eine Abwärtsspirale für ganze Viertel. Wenn dieser intelligent aktiviert wird, kann eine Kehrtwende initiiert werden, die dem typischen Erscheinungsbild und der regionalen Baukultur gerecht wird.
Im regen Austausch mit den TeilnehmerInnen wurde im Anschluss deutlich, dass die Nutzung der Flächen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft viele Bürger bewegt und Fragen aufwirft. So wurde natürlich die geplante Ausweitung der Industriezone Sankt Vith II thematisiert, aber auch die Entwicklung von Seniorenwohngemeinschaften und die Wiederbelebung von Dorfzentren. “Wir können nicht mehr so tun, als stünden uns Flächen unendlich zur Verfügung. Wir müssen unsere begrenzten Flächen und Gebäudestrukturen intelligent und mehrfach nutzen. Wir brauchen einen neuen Planungsansatz und eine echte Vision mit klaren Rahmenbedingungen. Diese fehlen aber im Moment gänzlich. Das kann und darf in unseren Augen nicht sein,” schließt Fabienne Colling, Co-Präsidentin von Ecolo Ostbelgien, den Abend.