Antwort Freddy MOCKEL
Sehr geehrter Herr Präsident,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Die DG soll in 2019 per Dekret die Zuständigkeit des Wohnungsbaus übernehmen.
Der Grund, weshalb der Wohnungsbau von der WR zur DG kommen sollte, ist ein politischer: es ist der politische Wille fast aller Parteien und ihrer Gewählten, diese Zuständigkeit zu übernehmen. Dieser politische Wille fusst auf der Feststellung, dass der Wohnungsbau eine interessante Ergänzung zu vielen Zuständigkeiten der DG im sozialen Bereich sein wird. Diesen Grund können wir mehr als nachvollziehen, aber gerade bei einer solchen Begründung muss die Politik in der DG beweisen, dass sie es gleich gut oder besser hinkriegt. Dazu braucht sie Fachkräfte die jetzt schon dünn gesät sind. Dazu will sie die Gemeinden als „privilegierte Partner“ gewinnen. Dafür müssen die Gemeinden jedoch auch als wirkliche Partner behandelt werden und die entsprechenden Mittel von der DG erhalten … die diese erst mal haben muss.
Die in der Regierungsmitteilung von Minister Antoniadis angebrachten Rechtfertigungen sind jedoch andere und als Rechtfertigung für die Übernahme in der Sache unzutreffend.
Er führt zur Untermauerung der Befugnisübernahme an, dass die DG einen teuren privaten Immobilienmarkt habe, dass die DG bei durchschnittlich 159K€ liege, 183K€ im Norden und 141K€ im Süden. Teurer als anderswo? Mitnichten.
Die DG ist kein besonders teures Pflaster in Sachen Immobilien. Auch nicht innerhalb der Wallonie.
Und die Zahlen, die vorige Woche von ihm angeführt wurden stimmen so auch nicht.
Die WR liegt bei durchschnittlich 183,5K€, die Provinz Luxemburg bei 194K€, die Provinz Namür bei 188 K€. Und selbst die an vielen Orten von Armut und Arbeitslosigkeit gekennzeichnete Provinz Hennegau liegt statistisch mit 145K€ über dem Durchschnitt der Eifel.
Soviel zum privaten Eigentumsmarkt. Sind wir denn im sozialen Wohnungsbau benachteiligt worden? Auch hier will der Minister mit seinen Zahlen den Eindruck erwecken. Trotzdem ist das mit Verlaub … Quatsch. In der DG seien nur 3,8% des Wohnraumbestands Sozialwohnungen. Das ist richtig. Was Minister Antoniadis aber verschweigt ist, dass 160 der 262 Gemeinden der WR bei unter 5% liegen, sogar 50 unter 1%. Und der Durchschnitt in der WR, inklusive der sozialen Brennpunkte in Charleroi, La Louvière oder im Lütticher Raum liegt bei schlappen 5,3%.
Wer also Glauben macht, die DG sei bisher benachteiligt worden, oder sie sei in einer Sonderlage, betreibt entweder Ostbelgien-Nabelschau oder hat keine Ahnung. Wenn das aber sogar in einer Regierungserklärung steht, um die Übertragung der Zuständigkeit für den Wohnungsbau zu rechtfertigen, tippe ich mal auf Beides: keine Ahnung UND Nabelschau.
Werte Kolleginnen und Kollegen.
Die Förderung des sozialen Wohnungsbaus ist in ganz Belgien eine Herausforderung.
Auch im europäischen Vergleich hat Belgien Nachholbedarf.
Denn der wahre Grund, weshalb auch in der DG der soziale Wohnungsbau und soziale Immobilienagenturen ausgebaut werden sollten, ist nicht eine phantasierte Benachteiligung der DG-Gemeinden, sondern der Bedarf unserer Bevölkerung nach bezahlbarem Wohnraum. Weil sich eben diese, genau wie anderswo in Belgien auch, aufgrund eines niedrigen Einkommens eine korrekte Wohnung auf dem privaten Markt nicht leisten können.
Darüber sollten wir uns in diesem Hause eigentlich einig sein.
Unsere Ziele und Feststellungen, die der ECOLO-Fraktion, sind jedenfalls klar:
1. Die Übertragung der Zuständigkeit für den Wohnungsbau eröffnet für die Deutschsprachige Gemeinschaft viele Gestaltungsmöglichkeiten um für unsere Bevölkerung die Lebensqualität zu verbessern. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die mit niedrigen bis mittleren Einkommen auskommen müssen.
2. Die Übernahme des Wohnungsbaus in seiner Gesamtheit ist eine Herausforderung für eine Gemeinschaft mit 77. 000 Einwohnern. Wir werden es mit Sicherheit anders machen als die Wallonische Region aber nicht sowieso besser … wie es gerne so oft angedeutet wird. Jedenfalls kann man es jetzt noch nicht verkünden. Wer dies trotzdem tut, der betreibt nicht nur Nabelschau, der ist auch überheblich. Und unsere Gemeinschaft sollte aufpassen, mit all dem Ostbelgien-Brimborium nicht in eben diese Überheblichkeit ab zu rutschen.
3. ECOLO möchte ganz klar: mehr, geförderten und bezahlbaren Wohnraum in der DG. Der Minister kündigte „Mittelfristig mehrere 100 Wohnungen“ an. Dies ist wohl mit Absicht ungenau formuliert. Wie ist das finanziell möglich? Was bedeutet mittelfristig? Was heisst „mehrere 100“? 200? 300? 400 ? 800? Wo sollen die Wohnungen alle gebaut werden? Auf der grünen Wiese? Oder sollen eher Dorfkerne und Viertel baulich verdichtet werden? Einen solchen Satz ohne ernsthafte Erklärungen hin zu schmeissen, das ist unseriöser Stimmenfang in der Vorwahlzeit.
4. Unserer Fraktion geht es um gesunden und guten Wohnraum. Vor dem Ausbau des privaten Wohnungsbestands sollte eine massive Unterstützung der Renovierung des Bestands stehen. Das schafft lokal gebundene Arbeitsplätze und ist nachhaltig. Im sozialen Wohnungsbau sollten beide Schienen gefahren werden – Ausbau und Renovierung -, um den Rückstand auf zu holen. Wir halten fest: finanziell wäre vielen Menschen in der DG geholfen, wenn, egal ob als Mieter oder Eigentümer mit kleinerem Einkommen, ihre Bleibe energetisch saniert würde. Das ist grünere, gerechtere und sozialere Politik zugleich.
5. Zur Finanzierung erkenne ich bisher aus den Äusserungen des Ministers nur ein seltsames Konzept: den sozialen Wohnungsbau teilprivatisieren und gleichzeitig die Mieten staatlich vorschreiben… wenn das mal zusammen passt. Ich bin übrigens erstaunt, dass dies der Standpunkt der drei Parteien dieser Mehrheit – PFF, ProDG und SP – ist. An einer Mietpreisbremse haben sich unsere deutschen Nachbarn vergeblich versucht. Man kann nicht behaupten, dass diese Massnahme wirklich den erhofften sozialpolitischen Effekt gehabt hat, dabei ist dies ein sehr starker Eingriff in die Rechte der Eigentümer – und das sind in der DG keine internationalen spekulierenden Multis wie in Berlin oder München. Die meisten Wohnungen gehören Privatleuten, die Eigentum als Aufbesserung ihrer Rente benötigen oder als Kapitalanlage ansehen.
6. Zur Vergabe von Wohnungen sind wir für ein maximal objektives System, dass keinerlei Platz lässt für Bevorzugungen und politischen Klientelismus. Hier haben wir eine klare Aussage des Ministers vermisst. Das aktuelle Punktesystem der Wallonischen Region ist sicherlich nicht optimal, aber bestimmt nicht politisch.
7. Unsere Fraktion bedauert auch weiterhin, dass die Akteure im Wohnungsbau in der heissen Phase der letzten 2-3 Jahre kaum eingebunden wurden. Die Regierung will zeitgleich mit der Verabschiedung der Übernahme der Zuständigkeit im Frühjahr 2019 eine Arbeitsgruppe gründen, mit den Akteuren, um die Ausführung zu gestalten. Viel zu spät. Die ECOLO-Fraktion verlangt, dass die Akteure ihre Wünsche und Empfehlungen ohne jegliche Zwangsvorgaben und politischen Druck formulieren dürfen.
Die Regierungsmitteilung zur Übernahme des Wohnungswesens war für die ECOLO-Fraktion also über weite Strecken unzutreffend argumentiert, und ungenau um populär zu wirken. Das kann man ja noch alles verkraften. Einige Passagen fand ich jedoch einer Regierungsmitteilung unwürdig.
Wie kann man nur eine Regierungsmitteilung für einen persönlichen Rachefeldzug missbrauchen, und auch noch am Rednerpult dieses Parlaments Drohungen mit unbewiesenen Andeutungen aussprechen? Was sind das für Einschüchterungsversuche? Was sind das für Methoden? Ohne jetzt für Nosbau Partei ergreifen zu wollen, DAS GEHT GAR NICHT. Hier haben SIE jeglichen Respekt vermissen lassen. Als Sozialdemokrat oder Sozialist , sollten Sie doch wissen, was der Respekt der Sozialpartner ist. Laden Sie sich also nicht selber bei Nosbau ein, sondern informieren sie doch mal umfassend die Verantwortlichen von Nosbau, die dann die Gewerkschaftsvertreter des Nosbau-Personals über Ihre Absichten informieren können. Das wäre mal Sozialdialog. Wenn Sie den jetzt nach Ihrer Selbsteinladungsaktion aufnehmen wollen, viel Glück beim Porzellankitten.
Aber sie wollen das auch gar nicht. Wieso sonst drohten Sie letzte Woche damit, bei dieser Wohnungsbaugesellschaft „gewissen Machenschaften ein Ende zu bereiten“. Was soll das heissen? Bevor Sie hier Kriminelles unterstellen, möchte ich von Ihnen hier und heute konkret hören, was diese dumpfe Drohung bedeuten soll. Was hat die SWL denn festgestellt? Ich fürchte nichts bis fast nichts. Sie wollen nur ihr Machtspiel gewinnen anstatt sich um die Sache zu sorgen. Ich hoffe nur, dass sie mit ihren dünnhäutigen Drohungen der DG keine Verleumdungsklage einhandeln. Denn Sie haben nicht nur für sich selbst, sondern für die ganze Regierung gesprochen.
… Und zum Machterhalt gehört wohl auch, dass die Regierung in öffentlicher Sitzung einen Parlamentarier belügt.
In der öffentlichen Kontrollsitzung vom 16. Mai hatte ich danach gefragt, wie es möglich sei, dass eine Person, die den Deontologie- und Ethikkodex des sozialen Wohnungsbaus der Wallonischen Region respektieren muss, irgendwo anders anheuert und dort seine Informationen nutzt. Zitat: (Art. 29): „Der Unterzeichner, der sein Amt niedergelegt hat, muss keine von ihm erlangte vertrauliche Information verbreiten noch irgendjemandem Ratschläge geben,[ die auf der Öffentlichkeit nicht zugängliche Information bezüglich der Gesellschaft, eine andere Einrichtung oder ein Unternehmen, mit der bzw. dem er bedeutende direkte Beziehungen im Laufe der drei Jahren vor dem Ende seines Mandats hatte, beruht.] Ihm wird es verboten, innerhalb von drei Jahren nach dem Ende seines Amtes, in Zusammenhang mit einem Verfahren, einer Verhandlung oder irgendwelchem Geschäft, an dem bzw. der die Gesellschaft beteiligt ist und über welche(s) er der Öffentlichkeit nicht zugängige Information besitzt, im Namen oder für Rechnung von Dritten zu handeln.“
Als Antwort erhielt ich von der Regierung, dass der ehemalige Geschäftsführer von Nosbau, der jetzt im Kabinett von Minister Antoniadis arbeitet, nur teilweise den Deontologiekodex befolgen müsse, da er einen leicht abweichenden Ethik- und Deontologiekodex unterzeichnet habe, der insbesondere keine „cool-down“-Periode von 3 Jahren vorsehe. Dennoch bestehe auch laut Art. 29 der tatsächlich unterschriebenen Fassung eine Loyalitätsverpflichtung gegenüber dem vorherigen Arbeitgeber.“
Ich weiss heute, dass diese Aussage nicht stimmt. Dass der ehemalige Geschäftsführer sich sogar zweimal zur Einhaltung des gesamten Deontologie- und Ethikkodexes verpflichtet hat. Ich weiss heute, dass dadurch mehrere Punkte dieses Kodexes nicht eingehalten wurden, und zwar derart, dass ich mich fragen muss, auf welcher Seite man denn Machenschaften vermuten muss…
Werte Kolleginnen und Kollegen,
die Regierung hat das Parlament wissentlich angelogen. Es geht mir hier gar nicht um die Person des Geschäftsführers. Ich ergreife schon gar nicht Partei für eine Wohnungsbaugesellschaft. Es geht darum, dass eine Regierung einen fatalen deontologischen Fehler begeht und begehen lässt und diesen mit einer Lüge kaschiert. Manche Minister sind schon für weniger zurück getreten. Überlegen Sie es sich. Sie haben den ganzen Sommer Zeit dafür.