Die Menschen in Grenzregionen erleben ganz direkt die Auswirkungen fehlender europäischerAbsprachen. Das gilt aktuell konkret während der Corona Krise. Bei allem Verständnis für die drastischen Maßnahmen, die in den jeweiligen Staaten getroffen worden sind, hätte man sich in Grenzregionen viel mehr Abstimmung und differenziertere Regelungen, aber auch etwas mehr Augenmaß bei der Umsetzung gewünscht.
Die belgische Grüne Europaabgeordnete Saskia Bricmont steht hinsichtlich der aktuellen Grenzsituation im engen Kontakt mit Ecolo Ostbelgien. Sie wendet sich per Brief an die europäische Innenkommissarin Johansson und den deutschen Bundesinnenminister Seehofer mit der klaren Forderung, eine schnelle, einheitliche europäische Lösung zu finden mit klarer Kommunikation. Alles andere führt in der aktuellen Lage zu Verwirrung und Frustration – das wäre katastrophal.
Die Grenzkontrollen und/oder Schließungen ohne zeitliche Begrenzung und ohne Plan zur anschließenden Öffnung, sind nicht hinnehmbar. Die Situation gleicht einem Flickenteppich von Grenzmaßnahmen. Die deutsche Regierung sollte, auf Grund ihrer geografisch und politisch zentralen Position in Europa, hier treibende Kraft sein und sich um schnellstmögliche Lösungen bemühen. Die Antwort auf die Grenzschließung in europäischen Ländern muss eine europäische Antwort sein.
Pascal Collubry & Ingrid Rosenstein
Copräsidenten von Ecolo Ostbelgien
Brief von Saskia Bricmont:
Sehr geehrte Frau Kommissarin Johansson,
Sehr geehrter Herr Bundesinnenminister Seehofer,
die Auswirkungen der CoVid19 Pandemie auf die die Freizügigkeit und die Reisefreiheit innerhalb der Europäischen Union sind dramatisch. Doch auch in Zeiten der Krise muss unter Wahrung des Infektionsschutzes der Grenzübertritt innerhalb eines vereinten Europas möglich sein.
Grenzkontrollen als Mittel zur Eindämmung der Pandemie waren als erste Reaktion für einen kurzen Zeitraum nachvollziehbar, fortwährende Grenzkontrollen oder gar eine langanhaltende Schließung aller Grenzen ohne klaren Plan zur erneuten Öffnung sind aber nicht hinnehmbar!
Hinzu kommt eine völlig unklare Kommunikation der geltenden Regelungen zum Grenzübertritt seitens der jeweils beteiligen Nachbarländer. Es ist ein Flickenteppich von Grenz-Maßnahmen entstanden. Die teilweise tägliche Änderung der online bekanntgegebenen Regelungen z.B. zum Zweck des Besuchs von Lebenspartner*innen sowie minderjähriger Kinder verwirrt Betroffene wie Polizist*innen und führt zu Frustration in den Grenzregionen.
Europa zeichnet sich unter anderem durch seine über die einzelnen Mitgliedsstaaten hinausgehende Freiheit aus, eben nicht nur wirtschaftlich, sondern insbesondere auch zwischenmenschlich. Grenzüberschreitende Beziehungen sind gelebte europäische Gemeinschaft. Seit beinahe sieben Wochen aber können sich Paare nicht mehr sehen, müssen Kindern auf Bezugspersonen verzichten. Grenzpendler kommen nicht mehr zur Arbeit oder sind massiven Einschränkungen ausgesetzt, was auch unsere Unternehmen vor eine wahnsinnige Belastungsprobe stellt.
Damit Grenzschließungen, Einreisesperren ebenso wie de facto Ausreisesperren bald wieder der Vergangenheit angehören, sind Mitgliedstaaten wie EU-Kommission gleichermaßen gefragt. Es ist kaum nachvollziehbar, warum einzelne Mitgliedsstaaten in einem vereinten Europa die Grenzen schließend und Regelungen allein an Grenzen festmachen, anstatt angemessen und in Kooperation anhand der regionalen Infektionslage zu agieren. Die deutsche Bundesregierung muss gerade in Hinblick auf die bevorstehende EU-Ratspräsidentschaft Treiberin einer gemeinsamen Exit-Strategie des Rates aus dem Flickenteppich der Grenzmaßnahmen hin zu einem funktionierenden Schengen-Raum werden. Hier gilt es mit gutem Beispiel voranzugehen. Das Virus selbst kennt keine Grenzen. Umso mehr braucht es nicht nur die entschiedene Koordination der Exit-Strategie durch die Kommission. Vielmehr steht die Kommission auch in der Pflicht, auf Einhaltung des Schengen-Grenz-Kodex zu pochen und gegenüber den Mitgliedstaaten entschlossen das vertragliche Recht der Personenfreizügigkeit durchzusetzen.
Wir richten den dringenden Appell an Sie, im europäischen Sinne zu handeln und Klarheit zu schaffen.
Wir fordern Sie deshalb auf:
• sich gemeinsam für eine einheitliches Vorgehen innerhalb der Europäischen Union und des Schengen-Raums zu bemühen. Deutschland liegt im Herzen Europas und gerade in Zeiten der Krise ist die Einigkeit und Solidarität innerhalb der Europäischen Union besonders wichtig. Dazu zählt auch an Grenzen nur in dem Maße zu kontrollieren, wie es für den Infektionsschutz unabdingbar und verhältnismäßig ist, sowie alle noch geschlossenen Grenzübergänge zu öffnen
• sich für im Schengen-Raum angeglichene Regelungen einzusetzen, die in einem ersten Schritt insbesondere den Bewohner*innen der Grenzregionen, auch nicht verheirateten oder eingetragenen Lebenspartner*innen, sowie Grenzpendlern den uneingeschränkten Übertritt wieder gestattet
• vordringlich eine klare Kommunikation der Regelungen zum Grenzübertritt sicherzustellen. Die teilweise täglichen Änderungen der Regelungen verwirren Bürger*innen wie Polizist*innen und führen zu Frustration