Zwei Jahre nach den fatalen Überschwemmungen im Wesertal ist die Aufarbeitung noch in vollem Gange. Zurecht wird in der Presse und auch in der Politik Bilanz gezogen. Leider gerät bei manchen die Bilanz immer noch zur Abrechnung, dagegen wehrt sich die deutschsprachige Regionalabgeordnete Anne Kelleter.
„Manche Politiker versuchen leider bis heute, politisches Kapital aus den Überschwemmungen und den Ängsten der Menschen zu schlagen, indem sie immer dieselben Halbwahrheiten wiederholen. Diese Hexenjagd macht mich persönlich traurig und wütend, denn es hilft niemandem. Sie machen kein Opfer wieder lebendig und keinen Schaden wieder gut. Was hilft, das sind konkrete Lösungsansätze und deren konsequente Umsetzung. Nur so können wir in Zukunft besser auf solche Katastrophen reagieren.“
Um Lösungsansätze zu finden und die Gründe der Überschwemmungen zu beleuchten, hatte das Wallonische Parlament im September 2022 eine Untersuchungskommission eingesetzt. Über 160 Empfehlungen sind dabei herausgekommen. 25 davon betreffen die Talsperren, die überwiegende Mehrheit hingegen die Krisenkommunikation, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren und die Rolle, die sie im Ernstfall einzunehmen haben.
„Der Fixierung auf die Eupener Talsperre ist eine Nebelkerze, die zuerst von der linkspopulistischen PTB angezündet wurde. Ich habe an jeder Sitzung der Untersuchungskommission von Anfang bis Ende teilgenommen. Über 120 Stunden lang haben wir Akteure aus allen Bereichen des Krisenmanagements rund um die Überschwemmungen angehört. Dabei ist herausgekommen, dass die Verantwortlichen der Talsperre bis auf eine Ausnahme alle Regeln befolgt haben, die zu diesem Zeitpunkt galten. Die Ausnahme ist, dass sie eigentlich den Tunnel zwischen Hill und Talsperre hätten schließen müssen. Das ist nicht passiert, hat aber de facto keinen Einfluss auf die Wassermenge, die unten im Tal ankommt.“
„Wenn alle Regeln befolgt wurden, aber die Reaktion auf die Flut trotzdem nicht gut war, bedeutet das nicht, dass die Verantwortlichen versagt haben, sondern einzig und allein, dass die Regeln versagt haben.“
Auch der Bericht der Untersuchungskommission, der von allen Parteien im Wallonischen Parlament verabschiedet wurde (mit Enthaltung der PTB) weist in diese Richtung. Darin steht: Die Überschwemmungen machen deutlich, dass der Kampf gegen den Klimawandel durch die Reduzierung der Treibhausgasemissionen und die Anpassung unserer Gebiete, Infrastrukturen, Institutionen, Systeme und unserer Gesellschaft verstärkt und beschleunigt werden müssen, um die Menschen vor den gegenwärtigen und zukünftigen Klimakrisen zu schützen.
Der Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit verschiedener Wetterextreme, wie die von starken Überschwemmungen. Vorher musste man einmal alle 200 Jahre mit Überschwemmungen in der Stärke von Juli 2021 rechnen, heute liegt die Wahrscheinlichkeit nur noch bei 20 Jahren.
„Das bedeutet, dass wir – statistisch gesehen – bis 2050 noch zwei Mal solche Überschwemmungen erleben müssen. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass wir uns nicht von politischen Spielchen ablenken lassen und alle gemeinsam dringend an Lösungen arbeiten, solidarisch und Hand in Hand, so wie es auch unmittelbar nach den Überschwemmungen die Bürger getan haben.“
Nach diesem Maßstab soll das Wesertal auch zukünftig ausgerichtet werden. Das hat auch Wirtschaftsminister Willy Borsus in seinem strategischen Entwicklungsschema für die betroffene Region festgelegt.
„Gefährlich ist die Mär von der dysfunktionalen Talsperre auch, weil sie den Blick der Menschen auf alle anderen Bereiche, in denen das Krisenmanagement verbessert werden muss, verschleiert. Da denke ich zuerst an die Rolle des Wallonischen Krisenzentrums, aber auch an die Informationsweitergabe (Warnungen) und die Krisenkommunikation.“
„Tatsache ist, dass im Einzugsgebiet der Eupener Talsperre mindestens doppelt so viel Regen gefallen ist, wie angesagt. Das beweisen die Zahlen des IRM und das waren die Einzigen, die den Verantwortlichen der Talsperren zu dem Zeitpunkt zur Verfügung standen. Da ist der Fehler passiert, der es unmöglich gemacht hat, die Krise korrekt zu antizipieren. Man kann niemandem vorwerfen, falsch reagiert zu haben, wenn er nicht die richtigen Infos hatte.
„Die Entwicklung war also nicht vorhersehbar und sobald die Verantwortlichen erkannt haben, dass viel mehr Wasser ankommt, als vorhergesagt, haben sie kommuniziert und die Menschen wurden, so gut es unter den Umständen noch ging, evakuiert. In der Eupener Unterstadt konnten alle Hausbewohner, die durch das Ablassen der Talsperre bedroht waren, gewarnt werden.“
Schlussfolgerung: „Die Aufarbeitung einer Krise ist komplex, weil so viele Faktoren eine Rolle spielen. Das nutzen manche Populisten aus, um die Leute an der Nase herumzuführen. Zum Beispiel redet man immer von den technischen Defekten an der Talsperre in Eupen. Was war da los? Einige Schleusen konnten nicht auf Distanz bewegt werden. Sie wurden aber von den Mitarbeitern vor Ort bewegt und haben so während der gesamten Dauer der Überschwemmung funktioniert. „Defekt“ heißt nicht „kaputt“ und solange ein Defekt keinen Einfluss auf die Funktionsweise des Bauwerks hat, kann man sich den Mund darüber fusselig reden, aber weiter bringt es uns nicht“
Was die Umsetzung der Empfehlung 86 des Untersuchungsausschusses (externes Audit der Talsperren) angeht, kann Anne Kelleter die Aufregung nicht verstehen, die um diesen Punkt gemacht wird: „Man muss wissen, dass das SPW MI, dass für die Ausschreibung des Audits zuständig ist, chronisch unterbesetzt ist und Personal fehlte, um die Ausschreibung zu machen und die Arbeit nachher zu begleiten. Deshalb hat das SPW im Juli 2022 (schon drei Monate nach den Empfehlungen der Untersuchungskommission) zusätzliches Personal angefragt und in einer Note darauf hingewiesen, dass die Ausschreibung von diesen neuen Beamten abhängt. Zuständig für die Einstellung von Personal ist das Ministerium für öffentliche Verwaltung, das den Punkt erst im März 2023 – 9 Monate später – in die Regierungssitzung eingebracht hat. Dass es so lange gedauert hat, um die Ausschreibung zu realisieren, kann man also nicht Minister Henry vorwerfen.
Er braucht zwar keine dekretale Grundlage, aber sehr wohl Personal und das konnte offensichtlich erst sehr spät eingestellt werden“.
Anne Kelleter
Regionalabgeordnete Ecolo Ostbelgien
Als Laie kann ich zur Thematik keinen qualifizierten Kommentar abgeben. Seltsam finde ich allerdings, dass die gewaltigen Abholzungen an den Hängen des Wesertales jahrelang keine Aufforstung erfahren haben und das authentische, offenfugige Pflaster des Marktplatzes der historischen Altstadt von Limburg durch ein wasserdichtes mit Betonunterfütterung erhalten hat.
Freundliche Grüße
Heinz