Sehr geehrter Herr Präsident,
Werte Kolleginnen und Kollegen,
Der heutige Resolutionsvorschlag fordert zum ersten eine garantierte Vertretung der Deutschsprachigen in der Föderalen Kammer und im Parlament der Wallonischen Region.
Damit können wir uns einverstanden erklären.
Wir stehen also auch weiterhin zu dem, was in breitem Konsens in der vielzitierten Resolution von Juni 2011, von CSP, PFF, ProDG, SP und ECOLO gefordert wurde, nämlich die Notwendigkeit (Zitat): „einer garantierten und angemessenen Vertretung der Bevölkerung des deutschen Sprachgebiets in der Abgeordnetenkammer und im Senat“.
Womit wir nicht einverstanden sein können, ist, dass die heutige Resolution in einem zweiten Schritt sowohl für die Kammer als auch für das Wallonische Parlament fordert, dass diese garantierte Vertretung, sogar per Verfassungsänderung, durch einen eigenen Wahlkreis ohne Listenverbindung zustande kommt.
Diese Resolution fordert im Ergebnis dazu auf, dass die Wallonie und der Föderalstaat uns je einen Wahlkreis mit einem Abgeordneten ermöglichen. Und bei einer Wahl erhält dann die Liste mit den meisten Stimmen, also vielleicht mit 25 oder 30%, den einzigen Abgeordneten und alle anderen Wählerstimmen sind für die Mülltonne.
Sagt Ihnen das was? Da war doch was? Richtig: Seit einigen Monaten und bis vor kurzem wurde über genau diese Situation rund um den Sitz des EU-Abgeordneten diskutiert. Und die große Mehrheit der Parteien stellte ZURECHT fest, dass es ein Demokratiedefizit gebe, wenn jemand mit 30% den einzigen Sitz erhält und alle anderen Stimmen nichts bewirken. Und heute fordern diejenigen, die damit durchs Land gezogen sind, OHNE NOT, GENAU DIESE SITUATION für die Kammer und das Wallonische Parlament ein?? Ich hatte gesagt, dass diese Situation rund um den Wahlmodus des EU-Abgeordneten ein demokratisches Defizit darstellt, egal ob denn nun einer von der CSP, von der PFF oder auch von ECOLO mit 25 oder 30% gewählt wird. Dazu stehe ich auch heute.
Und dann höre ich im Ausschuss: man könne ja dann die gleiche Methode anwenden wie die Mettlen–Studie für die EU-Wahlen empfehle. Wie Bitte? Herr Mettlen hatte mehrere Lösungen empfohlen. Die in den letzten Wochen viel diskutierte spanische Lösung hatte den entscheidenden Vorteil, dass keine Gesetzesänderung nötig war. Jetzt fordern wir notfalls eine Verfassungsänderung, um nachher auf den jeweils einzigen Sitz den wir kriegen würden, die Mettlen-Notlösung drauf zu schustern? Sollen jetzt die Parteien quasi alle Mandate unter sich aushandeln? Wofür? Für nichts? Doch, damit diejenigen, die bei alten Forderungen aus den 70er bis 90er stehen geblieben sind, am 26. Mai so eine Art institutionellen Skalp präsentieren können.
Schlau ist das nicht. Das ist schwach. Das ist strategisch schlecht.
Institutionell ist die Deutschsprachige Gemeinschaft nämlich auf einem anderen Niveau angelangt. Wir sind auf dem Wege zu einer Gemeinschaftsregion. Wir werben für ein Belgien zu viert. Wir werben für die DG als einer dieser vier Teilstaaten; wir werben aber auch für ein zusammen arbeitendes, funktionierendes Belgien. Wir werben mit sympathischen Ostbelgiern. Wir sollten ein gesundes, mit Offenheit versehenes Selbstbewusstsein an den Tag legen, und nicht weiter Komplexe und Traumata der Vergangenheit jahrzehntelang pflegen.
Wie sieht das Gesamtbild das wir abgeben mit dieser Resolution denn aus? …“ Mein EU-Abgeordneter – Mein Kammerabgeordneter – Mein Senator – Mein Regionalabgeordneter „… und am besten vielleicht noch so aufgeteilt, dass jede Partei einen davon hat. Langsam gewinnt der Eindruck einer Abschottung die Oberhand. Das ist nicht gut.
Wie wollen wir vermitteln, Brückenbauer innerhalb Belgiens zu sein, zwischen Flamen und Wallonen und Brüsselern, ja Brücken für Flamen und Wallonen ins deutschsprachige Ausland zu bauen, wenn wir den Eindruck erwecken, am Garnstock eine Mauer zu errichten?
Das ist nicht in unserem Interesse, denn gleichzeitig verzichten wir darauf, über den Garnstock hinaus Einfluss einfordern zu dürfen. „Was wollt ihr denn, ihr habt doch euren Teich?“ wird man uns entgegen quaken.
Dies kann nicht die Strategie der Zukunft für eine DG als ein gleichberechtigter Partner in einem Belgien zu viert sein.
Und zu mehr Vielfalt innerhalb der DG, in diesem Falle politische Vielfalt, trägt diese Scheinlösung auch nicht bei.
Wenn für diejenigen, die diesen Resolutionsvorschlag heute in seiner Gänze verabschieden wollen, Symbole so wichtig sind, dann hätte ich einen Vorschlag: der einzige deutschsprachige Senator, der von einer Mehrheit der Mitglieder des Parlamentes der Deutschsprachigen Gemeinschaft souverän bestimmt und in den Senat entsandt wird, sitzt dort nicht als Deutschsprachiger, sondern wird einfach der französischen Sprachgruppe zugeschlagen. Da können sie etwas fordern, was von der Symbolik her Sinn macht.
Wir sollten heute auf die Forderung einer garantierten Vertretung hinweisen. So dass wenn mal tatsächlich die entsprechenden Verfassungsartikel zur Abänderung anstehen, wir den in der gegebenen Situation besten Vorschlag zur Umsetzung machen können.
Jetzt aber schon einen präzisen Weg verlangen, für eine Situation die vielleicht erst in zehn Jahren eintritt, das kann in einer bösen Sackgasse enden.
Die ECOLO-Fraktion hat deshalb schon im Ausschuss beantragt, dass eine separate Abstimmung zu den Forderungen stattfindet:
Wir stehen weiterhin zu unserer Forderung einer garantierten und angemessenen Vertretung der Deutschsprachigen auf föderaler Ebene.
Wir sind weiterhin für eine garantierte Vertretung der Deutschsprachigen Wähler und Wählerinnen im Parlament der Wallonischen Region, auch wenn in der Realität sowieso stets ein, manchmal sogar zwei Deutschsprachige in das Parlament der Wallonischen Region gewählt wurden.
Dem möchten wir gerne zustimmen.
Diese garantierten Vertretungen jedoch zu fordern, mit einem eigenen Wahlkreis ohne Listenverbindung bedeutet nichts anderes, als dass wir ohne Not für Kammer und Region die gleiche Situation einfordern wie für die Wahlen zum EU-Parlament.
Dem können wir nicht zustimmen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Freddy Mockel
Fraktionsvorsitzender Ecolo Fraktion im PDG