Am heutigen Mittwoch lud die Ecolo Fraktion die Presse ins Haus Ternell ein, um mit ihr die Eckpunkte seiner Politik für das nächste Jahr zu besprechen. Den vollständigen Text findet ihr hierunter:
Unser Wahlslogan wird sich wie ein grüner Faden durch die nächsten fünf Jahre der Legislaturperiode ziehen. Gestärkt aus den Wahlen hervorgegangen und mit neuen Gesichtern hat sich die ECOLO-Fraktion zur diesjährigen “Politischen Rentrée” klare Ziele gesteckt.
Bereichsübergreifend kommen zu diesen konkreten Ideen jedoch zwei Schlagwörter besonders zum Tragen: Nachhaltigkeit und Zerwaltung.
Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, in jedem Ausschuss alle Themen auf ihre Nachhaltigkeit zu überprüfen, dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Klimanotstandes.
Des Weiteren möchten wir das in den Vordergrund stellen, was wir als eine Zerwaltung der DG bezeichnen. Der größte Feind einer lebendigen, dem Bürger dienlichen DG-Autonomie ist ein Verkrusten der Verwaltungsstrukturen, übermäßige Machtkonzentration und politische Vereinnahmung.
Genauso wie wir von der DG verlangen, nicht den Reflex zu haben, alles selber machen zu wollen, möchten wir enge Kontakte zu föderalen Gremien, der Wallonischen Region, der hiesigen lokalen Ebene und unseren Freunden in der Euregio und der EU nutzen. Wir wollen Netzwerke ausbauen und schaffen, damit unsere gemeinsamen Themen noch stärker nach vorne gebracht werden und alle von der Expertise der jeweils anderen Ebenen profitieren – denn Grün verbindet!
Wir werden natürlich im Laufe der kommenden Monate auch weitere Themen bearbeiten, die für unsere Bewegung und unsere Fraktion wichtig sind und uns zu Inhalten positionieren, wenn die jeweilige aktuelle politische Situation dies erfordert.
Bürgerbeteiligung
Bürgerbeteiligung ist in unseren Augen ein Werkzeug gegen Politikverdrossenheit und ein Mittel, damit die Bürger wirklich beteiligt werden und sich auch beteiligt fühlen. Die Meinungen der Bürger zu den wichtigen und großen Themen unserer Gemeinschaft sollen ungefiltert dort ankommen, wo Politik gemacht wird. So wollen wir die Demokratie stärken. Der Bürger soll nicht den Eindruck haben, dass er nur bei den Wahlen alle fünf Jahre etwas bewirken kann, sondern wissen, dass wir ständig ein offenes Ohr für ihn und seine Ansichten haben. Durch die wachsende Menge an Zuständigkeiten, wächst auch die Notwendigkeit der Bürgerbeteiligung.
Die Ecolo-Fraktion hat die Einrichtung des Bürgerdialogs mitgestaltet und wird seinen Start ab dem kommenden 16. September voll und ganz unterstützen. Wir werden zusätzlich die notwendige Autonomie und Eigenständigkeit dieses Gremiums gegenüber der Politik im Auge behalten.
Ergänzend hierzu möchten wir uns dafür einsetzen, dass Bürger direkt Fragen an das Parlament richten dürfen und dazu angehört werden können. Hier sollte eine strukturierte Vorgehensweise erarbeitet werden, die es dem Bürger ermöglicht, sich öffentlich an das Parlament in seiner Gesamtheit zu wenden.
Darüber hinaus möchten wir in Sachen Bürgerbeteiligung, aber auch bei anderen Themen unseren Vorsatz “Grün verbindet” zum Tragen kommen lassen. In ganz Belgien und darüber hinaus hat die Umsetzung des Bürgerdialogs in der DG viel Aufmerksamkeit erregt. Vielleicht können unsere Erfahrungen zu neuen Initiativen anderswo verhelfen. Wir möchten aber auch, dass Beteiligungsinstrumente, die in anderen Parlamenten und Gremien Belgiens eingeführt wurden, auf ihre Umsetzbarkeit in der DG geprüft werden. Dazu gehören für uns auch Programmpunkte unserer grünen Kollegen – ob sie umgesetzt wurden oder nicht – wie beispielsweise die Umwandlung des Senats in eine ausgeloste Bürgerversammlung.
Die DG als Vorbild und Modellregion im Energieverbrauch
Durch die neue Zuständigkeit der Unterstützung von Energiesparmaßnahmen im Wohnungswesen haben wir den Hebel für das größte Energiesparpotential in Privathaushalten selbst in der Hand. Für uns müssen auch die Emissionen in der DG bis 2030 um rund 55% reduziert werden und für 2050 sollte das Ziel „CO²-neutral“ heißen. Die von der DG-Regierung mit der Wallonischen Region ausgehandelten 500.000 € zur Bezuschussung von Energiesparmaßnahmen werden da bei weitem nicht ausreichen.
enn wir die Privathaushalte konsequent unterstützen wollen, um ihren eigenen Energieverbrauch zu reduzieren und grün zu gestalten – ohne „zerwaltet“ zu werden – wird ein Vielfaches dieser Summe notwendig sein. Doch nicht nur Geld ist gefragt. Man muss auch die Stimmung und die Bereitschaft fördern, indem man erst vor seiner eigenen Haustüre kehrt und das gute Vorbild gibt.
Da sollten wir als DG den ersten Schritt machen und unserer Verantwortung gerecht werden. Wir können nicht ausschließlich von den Bürgern verlangen, dieses Ziel zu unterstützen.
Wenn es auch auf den Gesamtenergieverbrauch der DG bezogen nur wenig Einsparungen bringt, sollte das Energiesparpotenzial aller Gemeinschaftsinfrastrukturen überprüft und genutzt werden und der restliche Bedarf sollte zu 100% mit erneuerbaren Energiequellen wie z.B. Solarpaneelen und Photovoltaikanlagen abgedeckt werden.
Nicht zu vergessen ist bei Energiesparmaßnahmen der Effekt für die Mieter von Sozialwohnungen: die Mieten sind ans Einkommen angepasst, aber nicht die Heizkosten. Hier steht ECOLO deutlich dafür ein, dass Energie- und Klimapolitik für uns auch Sozialpolitik ist. Maßnahmen, die beides verbinden, sind für uns prioritär.
Wir setzen hier auf ein Dreieck aus Ökologie, Ökonomie und sozialer Verantwortung. Kurz gesagt: Möchten wir mehr für unsere Umwelt tun, müssen wir unsere Häuser energieeffizient umbauen. Der Umbau sollte von hiesigen Unternehmen umgesetzt werden, was die lokale Wirtschaft fördert. Somit hätten wir eine Win-win-win-Situation: die Umwelt, die lokale Wirtschaft und die soziale Komponente sind die Gewinner.
Regionale Wirtschaftskreisläufe
Unsere Sicht auf die notwendige Verstärkung von regionalen Wirtschaftskreisläufen in der DG unterteilen wir in zwei zusammenhängende Einfallswinkel.
Für den Endverbraucher muss das lokale Einkaufen zugänglich, finanziell erschwinglich und attraktiv sein. Wenn es viel komplizierter und zeitaufwendiger ist, seine Einkaufsgewohnheiten anzupassen, werden wir nur schwer mehr Menschen zu einem Umdenken bewegen.
Auf der anderen Seite müssen für die Unternehmen, Einzelhändler und Produzenten attraktive Bedingungen geschaffen werden, damit sie sich in unserer Region gegenseitig stärken und ihre Tätigkeiten ausbauen können. Es gibt mehrere konkrete Lösungen, die wir diesbezüglich prüfen und umsetzen möchten.
Den ersten Schritt sehen wir – wie bei den Energieeinsparungen – in unseren Händen. Die DG sollte auch hier eine Vorbildfunktion einnehmen und immer gewährleisten, dass auch lokale Unternehmen gute Chancen haben, Aufträge und Bestellungen zu erhalten. Die Einführung von Sozialklauseln ist ein zusätzlicher Hebel, welchen die DG beim Aufsetzen von Lastenheften und Ausschreibungen betätigen muss. Wir sollten auch dringend unsere Unternehmen und Einzelhändler dahingehend unterstützen, dass sie sich bei der Ausschreibung von großen Aufträgen zusammenschließen können.
Ein weiteres Beispiel ist die Einführung einer Regionalwährung. Dadurch unterstützt man klar den Einkauf in seinem Dorf, seiner Stadt, seiner Region. Auch zwischen hiesigen Unternehmen ist die Entlohnung von Dienstleistungen untereinander mittels einer Regionalwährung eine interessante Idee.
Das ist gut für die Umwelt, da viele lange Fahrten und Transporte vermieden werden. Außerdem ist das gut für die Wirtschaft, da mehr hiesige Arbeitsplätze in hiesigen Unternehmen gefestigt werden, weil sie weniger von der internationalen Konjunktur abhängig sind.
Das Ostbelgien-Label ist bereits ein Anfang, um Produzent/Verkäufer und Käufer zu helfen, regionale Produkte von anderen zu unterscheiden und hervorzuheben. Wir setzen uns dafür ein, das Vertrauen in das Label zu stärken, indem die Kriterien in den Lastenheften weiter erhöht werden.
Dem Endverbraucher könnten Geschäfte mit ausschließlich regionalen Produkten den Einkauf vereinfachen und dazu führen, dass sie eher zu regionalen Produkten greifen. In ländlichen Gegenden ist der mobile Verkauf von Produkten sehr beliebt. Dieses Konzept sollte unterstützt werden und sollte auch in städtischeren Gegenden neu angedacht werden.
Grüne Ideen verbinden auch bei Wirtschaftskreisläufen die etwas weiter als die DG greifen. In Bereichen wie der Landwirtschaft sollten wir enger mit der WR zusammenarbeiten.
Wenn wir die Bürger dazu ermutigen können, mehr hiesige, mit regional hergestellten Ressourcen erzeugte landwirtschaftliche Produkte einzukaufen, also die Nachfrage zu erhöhen, wird die wirtschaftliche Stabilität der Produzenten gestärkt. Dies versetzt sie in die Lage, ein zweites Standbein neben z.B. der reinen Milchproduktion zu errichten, was wiederum die Abhängigkeit der hiesigen Landwirtschaft von den internationalen Märkten und den Großkonzernen reduziert.
Eintrittsalter in den Kindergarten: 2,5 Jahre
Das Wichtigste bei allen Maßnahmen muss das Kind bleiben. Damit das Kind im Mittelpunkt stehen kann, müssen die Maßnahmen auch immer gut für die Lehrpersonen in den Kindergärten und Schulen, für die Kindergärten und Schulen selbst sowie für die Eltern sein. Nur wenn das Personal ausreichend unterstützt wird, wenn die Rahmenbedingungen bestmöglich sind und die Eltern genügend Vertrauen haben, kann das Kind sich wirklich nach seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen entfalten.
Im vergangenen Jahr hat die Regierung durch ihre über das Knie gebrochene Umsetzung des Kindergartenbesuchs ab 2 ½ Jahren ein riesiges Gehaltschaos zwischen Kindergartenassistenten und Kindergärtnern geschaffen. Dieses Chaos ist dann noch bis in den Bereich der Altenpflege und den Krankenhaussektor durchgesickert und führt in vielen Bereichen zu Personalproblemen.
Die Ecolo-Fraktion hat darauf schon vor der Einführung hingewiesen, wurde aber von der Regierung nicht gehört.
Vor allem für die Kindergärten selbst sind noch einige Rahmenbedingungen unklar: Räumlichkeiten, Schlafplätze, didaktisches- und Pflegematerial, pädagogische Konzepte usw.
Dies ist handwerklich schlecht gemachte Politik und wir können nicht von Demokratie reden, wenn die Regierung im stillen Kämmerlein Abänderungen bestimmt, diese ohne ausreichende Absprache mit den Trägern durchdrückt und auch noch keine Fehler eingestehen will.
Kostenfreier Zugang zum Unterricht
Chancengerechtigkeit für alle Schüler bleibt für Ecolo weiterhin ein Schwerpunkt. Das bedeutet ganz besonders das Recht aller Kinder und Familien auf kostenfreien Zugang zum Unterricht.
Eigentlich soll der Schulbesuch bis zum Ende der Schulpflicht kostenlos sein. So steht es zumindest in der belgischen Verfassung. Die Realität sieht allerdings anders aus: Vom Kindergarten bis zum Abitur wird jedes Schuljahr teurer. Bücher, Schreibmaterial, Klassenfahrten, Essen usw. beanspruchen die Kassen der Haushalte. Laut einer Umfrage des Bunds der Familien (Ligue des familles) aus dem Schuljahr 2016-2017 hat in Belgien eine Familie von zehn Probleme, alle Kosten zu stemmen.
Die Schulkosten verschärfen die sozialen Unterschiede zwischen den Schülern. Zahlreiche Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Einkommen der Eltern und dem schulischen Erfolg ihrer Kinder. Für Ecolo ist klar, dass Geld nicht über schulischen Erfolg entscheiden darf. Deshalb setzen wir uns für kostenlosen Unterricht ein. Die in der letzten Legislatur unternommenen Maßnahmen sind unzureichend. Wir fordern, dass die Regierung mit Mitteln der Gemeinschaft aber auch mit Mitteln der Träger dafür sorgt, dass anfallende Schulkosten nicht durch die Familien getragen werden müssen.
Pünktlich seit Schulbeginn setzt sich Ecolo mit der Initiative „Farde wechsel dich“ dafür ein, Schulkosten zu senken. Dazu wurden in jeder DG-Gemeinde Tauschplätze installiert. Dort kann jeder nicht mehr genutztes Schulmaterial abgeben. Das Material kann kostenlos mitgenommen werden. So können Familien, die wenig oder kein Geld für neues Schulmaterial haben, Kosten sparen.
Die Aktion soll aber nicht nur Kosten senken. Sie soll auch Ressourcen schonen, Nachhaltigkeit und Solidarität fördern. Statt Schulsachen wegzuwerfen oder in der Rumpelkammer zu stapeln, kann man ihnen nun ein zweites Leben schenken.
Bedürfnisse aller Senioren
Dass durch den demografischen Wandel der Anteil an älteren Menschen in unserer Gesellschaft zunimmt, ist keine Neuigkeit.
Wir möchten für die Senioren die gleichen hohen Ansprüche stellen wie auch in anderen Bereichen. Für jeden Einzelnen muss ein angepasstes Angebot bestehen. Ob dieses aus einem breiten Fächer von Angeboten der häuslichen Hilfe besteht oder aus einem Platz in einem Wohn- oder Pflegezentrum, das muss letzten Endes die Entscheidung des Betroffenen und seiner Familie sein können.
Einen klaren Angebotsmangel sehen wir beispielsweise bei der psychologischen/psychiatrischen Diagnose und Behandlung von Senioren.
Wir möchten bei diesem Thema unser Augenmerk aber auch auf das Umfeld der Senioren legen. Familienmitglieder, Betreuer, Pfleger usw. sind häufig auf sich gestellt und haben keinen Ansprechpartner. Diese Lücke in der Versorgung muss zeitnah geschlossen werden.
Eine weitere Baustelle ist die Finanzierung der Wohn- und Pflegezentren für Senioren. Die Normen und Finanzierungsmodalitäten sind durch das betreffende Dekret gar nicht geregelt worden und sind auch nach den Wahlen, wenige Wochen bevor die Zentren ihr Budget 2020 erstellen müssen, immer noch unklar.
Andreas Jerusalem, Freddy Mockel, Inga Voss
Ecolo-Fraktion im PDG