Wort den Parteien – Januar 2019
Unter dem Begriff „Postwachstum“ entstand Anfang der 2000er eine Bewegung in den Industrieländern im wohlhabenden Teil des Nordens unseres Planeten. Anfangs war es noch eine kleine Bewegung wachstumskritischer Forscher und Aktivisten, die sich aber 2008 zum ersten Mal in Paris zu einer Konferenz trafen. Dieser Bewegung geht es darum, Wirtschaft so zu gestalten, dass sie allen Menschen auf der Welt ein gutes Leben ermöglicht, ohne unseren Planeten zu zerstören.
Der Überfluss, in dem wir hier leben, schadet dem Planeten massiv. Jeder hat sich bereits gefragt, ob es in Ordnung ist, dass jeden Tag massenweise Lebensmittel in der Tonne landen, oder ob uns der Überfluss unserer Konsumgesellschaft glücklich macht? Die Antwort darauf lautet „Nein“. Reichtum ohne Wirtschaftswachstum ist daher die sinnvollste Alternative.
In den vergangenen 70 Jahren war das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts das übergeordnete Ziel der europäischen Staaten. Aber Wachstum an sich wird immer schwieriger zu erreichen: Wir produzieren mehr als wir brauchen und schaden dabei der Umwelt. Wir haben die ökologischen Grenzen unseres Planeten längst überschritten. Bei den Versuchen, doch noch das letzte Bisschen Wachstum heraus zu holen, werden Mensch und Planet unnötig gequält: längere Arbeitszeiten, geringere Löhne und soziale Rechte, noch mehr Raubbau an der Umwelt,…
Wir haben uns in den letzten 50 Jahren durch diesen Wahn so sehr an ein Wirtschaftswachstum gewöhnt, dass es manchen schwerfällt, sich eine Welt vorzustellen, in der es anders läuft. Die Wahrheit ist aber, dass es durchaus möglich ist, die Lebensqualität überall zu verbessern und zur selben Zeit Ungleichheit zu verringern, indem man zum Beispiel sinnvolle Arbeitsplätze schafft – auch ohne Wirtschaftswachstum.
Um die sozialen Probleme in Europa zu lösen, benötigen wir kein weiteres Wachstum. Was tatsächlich notwendig ist, ist eine gerechtere Verteilung unseres Reichtums.
Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehören unter anderem: die Begrenzung des Ressourcenverbrauchs, eine progressivere und gerechtere Besteuerung aller Einkünfte, um die zunehmenden Ungleichheiten zu beseitigen, sowie eine schrittweise Verringerung der Arbeitszeit.
Es ist an der Zeit, sich mit der Zeit nach dem Wachstum zu befassen. Und es ist Zeit, Reichtum anders zu bemessen als mit den jährlich in einem Land geldwertig produzierten Dienstleistungen und Produkten, also dem Bruttoinlandsprodukt. Es ist Zeit, den Weg für eine Postwachstumsgesellschaft zu schaffen… und die grünen Parteien sind europaweit die einzige große politische Bewegung, die tatsächlich diese Alternative vorschlägt.
Freddy Mockel
Vorsitzender der Ecolo-Fraktion im PDG
Hallo, sehr interessant verfolge dieses Thema schon was länger und würde mir wünschen das die Bevölkerung endlich den Mut aufbringt für wirkliche Veränderungen, mfg
Hallo Herr Kever,
Da haben sie Recht. Man muss da dicke Bretter bohren, da dies einen starken Mentalitätswandel voraussetzt. Wachstum wird seit mehreren Generationen ohne Hinterfragung als Grundvoraussetzung unseres Wirtschaftssystems angesehen … und immer noch gepredigt. So langsam hat sich schon mal die Erkenntnis durchgesetzt, dass Wachstum nicht unendlich ist, auch wenn allein dies schon die Logik selbst sein müsste. Schließlich ist unser Planet nicht unendlich. Der Durchbruch wird wohl erst geschafft sein, wenn unsere Gesellschaft zwei Dinge geschafft hat: erstens, Wachstum vom Verbrauch fossiler oder endlicher Ressourcen entkoppeln; zweitens damit aufhören, sich Wohlstand oder einen gewissen Komfort nur vorstellen zu können, wenn auch weiter Wachstum gefahren wird. Das wird nicht von heute auf morgen passieren, aber alle die zu dieser Überzeugung gelangt sind, müssen darauf hin arbeiten. Wie gesagt, dicke Bretter bohren 😉 …
Mit freundlichen Grüßen, Freddy MOCKEL