Wort den Parteien, April 2019
Schule muss Einheit schaffen, indem sie Individualität nicht nur duldet, sondern fördert. Unterschiede bedeuten Vielfalt. Es ist eine grundlegende Aufgabe von allen Bildungseinrichtungen, junge Menschen bei der Suche nach ihrem Platz in der Mitte der Gesellschaft zu stärken, ohne sie in Raster zu zwängen.
Für die Kleinsten heißt das, einen Rahmen zu ermöglichen, in dem sie in erster Linie Kind sein dürfen. Durch die immer größer werdenden Unterschiede, die zwischen unseren 3-Jährigen – und ab 2021 sogar 2,5-Jährigen – bestehen, ist das allein schon eine echte Mammutaufgabe: Wo Petra schon Lust aufs Schreiben ihres Namens hat, dreht sich für Peter noch alles darum, ein Leben ohne Windeln zu meistern. Wo Maya mit der Picknadel noch heillos überfordert ist, zaubert Mario mit dem Malkasten schon kleine Kunstwerke. Und wo sich Alexa schon eigene Verse und Gedichte ausdenkt, muss Ali sich in einem völlig neuen Sprachraum zurecht finden. Die Lehrpersonen wachsen in unseren Kindergärten Tag für Tag über sich hinaus. Hier werden positive Grundlagen für einen langen Bildungsweg gelegt. Je früher Defizite erkannt werden, die jedes Kind mit sich bringt, um so größer ist die Chance sie auszumerzen, bevor sie zu echten Problemen werden. Die Politik muss den nötigen Rahmen schaffen, damit dies, Hand in Hand mit Kindergartenhelfern und -assistenten sowie Förderpädagogen gelingt.
Auch Primar- und Sekundarschulen müssen es schaffen, unsere Kinder da abzuholen, wo sie stehen. Zu viele Grundpfeiler unseres Bildungssystems stammen aus der Zeit der Industrialisierung und sollten vor 150 Jahren für fähige, gleich geschaltete Arbeiter sorgen. Doch mit Gesellschaft, Technik und Arbeitswelt muss sich auch Schule weiterentwickeln. Statt den Kindern ab der ersten Klasse die Flügel zu stutzen, müssen wir sie viel konsequenter lehren, zu fliegen. Dafür sollten maßgebliche Grundlagen wie Lesen, Rechnen und Schreiben trainiert werden. Darüber hinaus müssen Kinder aber ihre Stärken kennenlernen, ihre Persönlichkeit entfalten und ihre Interessen verfolgen können.
Doch Kreativität, Bewegung und Freiraum werden zu häufig zugunsten des Lernstoffs wegrationalisiert. Ecolo setzt sich dafür ein Schulrhythmen an den Bedürfnissen unserer Kinder und Jugendlichen auszurichten, Fächergrenzen zugunsten echten Kompetenzerwerbs aufzuweichen, damit Lehrpersonen mit ihren Schützlingen in Beziehung treten können. Nur so kann Bildung das werden, was sie sein sollte: Die Grundlage eines selbstbestimmten Lebens in der Mitte der Gesellschaft.
Andreas Jerusalem
Ecolo-Kandidat für die PDG-Wahlen, 3. Platz