Die Reaktion der Vivant-Fraktion im Parlament der DG auf die Polemik um mehrere Facebook-Posts von der Vivant-Vertreterin im BRF-Verwaltungsrat, Pascale Baudimont, ist weder faktisch korrekt, noch eindeutig. Stattdessen nutzt Vivant fake news und Nebelkerzen, um von der eigentlichen Debatte abzulenken. Dazu möchten wir mehrere Beispiele bringen, die jeweils Auszüge aus der Pressemitteilung, die Vivant auf der eigenen Webseite veröffentlicht hat, kommentieren:
Beispiel 1
Zum Vorfall:
Es liegen die beklagten privaten Facebook-Posts von Frau Baudimont vor.
Vivant distanziert sich deutlich von diesen Postings.
Jedoch sind die Interpretationen welche u.a. die Mehrheitskollegen da hineininterpretieren falsch und können als Versuch gesehen werden, die Bewegung als Ganzes zu diskreditieren, für die Tat einer einzelnen Person und dies lassen wir nicht gelten.
Das Benutzen mancher Symbole oder Bilder aus dieser Zeit bedeutet nicht automatisch eine Verharmlosung oder sogar Verherrlichung dieser Verbrechen, wie es das Kommuniqué der Mehrheitsfraktionen vermuten lässt.
Bilder aus dieser Zeit können auch als Warnzeichen der Geschichte gegenüber gefährlichen Entwicklungen in der Gegenwart dienen.
Quelle: https://vivant-ostbelgien.org/stellungnahme-von-vivant-ostbelgien-zur-aktuellen-debatte-bezueglich-diverser-facebook-postings/
Wenn man genau liest, was Vivant hier schreibt, sieht man, dass Vivant einerseits gegen die Verharmlosung von Nazi-Verbrechen ist, dieses Statement aber direkt danach relativiert. Man impliziert, dass die Vergleiche in den Posts von Pascale Baudimont keine Verharmlosung dieser Verbrechen ist, sondern ein „Warnzeichen der Geschichte vor ähnlich gefährlichen Entwicklungen der Gegenwart“ und ein Ausdruck der Angst vor negativen Auswirkungen einer Impfung.
Hier sollte man einige Dinge ganz klar benennen: Angst, Bedenken oder Zweifel vor einer Impfung kann jeder haben. Das ist legitim, menschlich und es wird viel getan, um die Menschen bestmöglich und differenziert über Nebenwirkungen aufzuklären. Diese Ängste oder Zweifel geben aber niemandem das Recht, haltlose Vergleiche, falsche Fakten oder Beleidigungen zu verbreiten.
Und ja, das Nutzen von Symbolen bedeutet nicht automatisch, dass man sie verharmlost. Das ist grundsätzlich richtig, aber nicht in diesem Fall, denn: indem sie sich einen Judenstern mit der Aufschrift «ungeimpft» auf’s T-shirt, Auto oder Profilbild kleben, wollen Impfgegner gegen einen staatlichen Impfzwang protestieren. Den gibt es aber in Belgien nicht und der ist auch nicht geplant. Wenn also ein Politiker in Belgien heute «Ungeimpfte» auf eine Stufe stellt mit Juden im Dritten Reich, vergleicht er eine nicht existierende Impfpflicht mit dem Völkermord der NS-Zeit. Das entbehrt jeder faktischen Grundlage und verharmlost Nazi-Verbrechen, indem ein nicht-existierendes Gebot mit einem der grausamsten Völkermorde der Menschheitsgeschichte auf eine Stufe gestellt wird.
Beispiel 2
Bei den israelischen Juden, die kürzlich den Judenstern während einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen genutzt haben, um auf die drohende Stigmatisierung der Nicht-Geimpften hinzuweisen, würde wohl niemand auf die Idee kommen, ihnen die Verharmlosung des Holocaust vorzuwerfen.
Quelle: https://vivant-ostbelgien.org/stellungnahme-von-vivant-ostbelgien-zur-aktuellen-debatte-bezueglich-diverser-facebook-postings/
Direkt unter diesem Abschnitt nutzt die Fraktion fake news, um ihr Argument zu untermauern. Auch nach ausgiebiger Recherche konnten wir keine belastbare Quelle finden, die diese Behauptung von Vivant bestätigt. Im Gegenteil dazu gibt es zahlreiche, belastbare Artikel, die berichten, dass die Nutzung des Judensterns durch Impfgegner verboten und angeprangert wird (zum Beispiel München vor wenigen Tagen: https://www.stern.de/panorama/gesellschaft/muenchen-verbietet-das-tragen-von-gelben-sternen-auf-demonstrationen-9283150.html Wir fordern Vivant auf, ihre Quelle zu benennen oder diese falsche Behauptung zurück zu ziehen.
Beispiel 3
Frau Baudimont versicherte uns, sie habe großen Respekt für die Opfer des Holocaust. Ihr Ansinnen war es nicht irgendetwas zu verharmlosen oder gar zu leugnen. Dass die Postings in ihrer möglichen Doppeldeutigkeit solch einen Sturm der Entrüstung hervorrufen würden, war Frau Baudimont nicht bewusst. Als ihr die weiteren Interpretationen klar wurden, hat sie die Beiträge wieder gelöscht.
Quelle: https://vivant-ostbelgien.org/stellungnahme-von-vivant-ostbelgien-zur-aktuellen-debatte-bezueglich-diverser-facebook-postings/
Vivant behauptet, Frau Baudimont hätte die problematischen Beiträge gelöscht. Ob das stimmt, kann aber niemand nachprüfen, der nicht mit ihr auf Facebook „befreundet“ ist, denn seit gestern steht eins ihrer beiden Profile auf „privat“. Auf dem anderen findet sich noch ein Post vom 19. April 2020 mit dem Judenstern zum Thema impfen.
Für Ecolo ist klar, dass Vivant mit dieser Art der Argumentation versucht, um eine eindeutige Stellungnahme zu Verschwörungstheorien herum zu kommen. Das könnte die Partei schließlich zahlreiche Wählerstimmen kosten.
Außerdem lenkt die Mitteilung von der eigentlichen Debatte ab: hier geht es nicht um einen einzigen Fehltritt einer Person, sondern um die Frage, wie sich Politiker und Personen des öffentlichen Lebens im Netz verhalten sollen? Daran angeknüpft ist die Frage, ob eine Partei für Ansichten, die ihre offiziellen Vertreter im Netz äußern, verantwortlich gemacht werden kann?
Wir möchten den Vorschlag der Vivant-Fraktion über eine öffentliche Themendebatte im Parlament aufgreifen und schlagen genau diese beiden Fragen vor, denn für ecolo ist die Trennung zwischen der Meinung einer Partei und den Stellungnahmen ihrer Mandatare nicht klar definiert, und auch der Unterschied zwischen privaten und öffentlichen Aussagen von Mandataren im Netz bleibt ungenau.
Für Ecolo ist das Internet ein öffentlicher Raum. Mit ganz eigenen Regeln. Soziale Netzwerke und der Handel mit persönlichen Daten weichen die Grenze zwischen privat und öffentlich im Netz absichtlich auf. Man kann dort in den meisten Fällen gar nicht privat sein, weil man mit tausenden im gleichen, virtuellen Raum steht. Eine öffentliche Person muss sich im öffentlichen Raum entsprechend ihrer Rolle verhalten. Was das genau im Netz bedeutet, das ist die eigentliche Diskussion.
Ecolo-Fraktion im PDG